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Die eigentliche und bis heute kontinuierlich anhaltende Erfolgsgeschichte des hochprozentigen Destillats aus Melasse begann auf den damals entstehenden Zuckerrohrplantagen im frühen 17. Jahrhundert in der Karibik.
Doch schon im antiken Indien, Persien und Zypern nutzte man Zuckerrohr alkoholisch. Erstmals urkundlich erwähnt wurde ein rumähnliches, aus Zuckerrohrsaft destilliertes und „Shidhu“ genanntes Getränk in einer auf Sanskrit verfassten Schrift des indischen Arztes Vagbhata im 7. Jahrhundert. Im Gebiet des heutigen Malaysia soll der ebenfalls auf Basis von Zucker produzierte „Brum“ schon vor Jahrtausenden bekannt gewesen sein. Weitere Berichte über vergleichbare Spirituosen stammen aus dem mittelalterlichen Zypern, das im 14. Jahrhundert ein überregional bedeutender Zuckerproduzent war sowie aus Persien, wo der berühmte Weltreisende Marco Polo einen „Zuckerwein“ als sehr delikat lobte.
Das Kind der Karibik hat vermutlich viele Väter und ist bereits fast 400 Jahre alt
Auf welcher der zahlreichen karibischen Inseln genau die Wiege des Rums stand, ist unter Experten und Historikern noch immer umstritten. Als Favoriten für die geografischen Geburtshelfer gelten aber nach Dafürhalten der meisten Beobachter vor allem Barbados, die spanische Kolonie Hispaniola (heute Haiti und Dominikanische Republik) sowie Kuba, Jamaika und Bermuda. Auf dem letztgenannten Eiland gab es nachweislich schon 1653 Gesetze zur Regelung des Verkaufs einschlägiger und lokal hergestellter Spirituosen.
Aus dem Jahr 1661 ist ein Schreiben des Gouverneurs von Jamaika überliefert, in dem dieser ein Getränk mit dem interessanten Namen „Rumbullion“ (englisch für Tumult) erwähnt. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts waren jedoch vor allem die spanische und die französische Bezeichnung „Ron“ bzw. „Rhum“ noch deutlich gängiger, üblicher und bekannter.
Als heute weltweit älteste und noch immer in Betrieb befindliche Rumbrennerei gilt die Firma „Mount Gay Distilleries Limited“ auf Barbados, in der laut Eigenangabe seit 1663 und nachprüfbar seit 1703 produziert wird.
Der Alkohol aus Abfall brachte Siedlern viel Geld und vielen Stämmen den Tod
Im Grunde genommen war es von den damaligen Pflanzern ein genialer Schachzug, aus dem bis dahin völlig wertlosen und unverkäuflichen, jedoch in großen Mengen anfallenden Neben- und Abfallprodukt Melasse (Zuckersirup) Trinkalkohol herzustellen. Als Viehfutter war die zähe Masse nur in kleinen Mengen geeignet und die heute übliche Verwendung in der Biotechnologie und Nahrungsmittelindustrie war seinerzeit noch nicht erforscht.
Doch bis die so gewonnene Spirituose nicht nur in den karibischen Kolonien, sondern zusätzlich auch in der „Alten Welt“ Europa populär wurde, sollte es noch ein wenig dauern. Zunächst trank man die gegen Mitte des 17. Jahrhunderts pro Jahr produzierten vier Millionen Liter noch nahezu ausschließlich auf den Inseln selbst. Langsam und etwa ab 1750 wurde der Rumkonsum hingegen auch in Nordamerika immer beliebter. Dort wurden Rumsorten vor allem aus Antigua, Barbados, Grenada und Montserrat auch für den Tauschhandel mit den damals so genannten „Indianern“ genutzt. Diese durchaus strategisch betriebene Praxis hatte zur Folge, dass es speziell unter den indigenen Stämmen im Süden der heutigen USA zu schnell und stark zunehmender Alkoholabhängigkeit mit vielen Todesfällen kam.
Trinkfeste Piraten und Matrosen machten die scharfe Spirituose weltweit berühmt
Im Rahmen des sich somit rasant ausweitenden Rumhandels zwischen der Karibik und den Vereinigten Staaten entstand auch die gewissermaßen folkloristische Verbindung von Rum und Piraterie. Vor den Bahamas und der amerikanischen Ostküste kreuzende und raubende Piraten, Freibeuter und Seeräuber enterten die Transportschiffe und tranken die Rumfässer entweder größtenteils selber leer oder verkauften sie weiter. In Spielfilmen wie auch auf Etiketten mancher Rumproduzenten werden Piraten der Karibik darum gerne mit einer Flasche am Hals oder in den Händen dargestellt.
Einen maßgeblichen Anteil an der historischen Verbreitung diverser Rumsorten wie auch des Rumgenusses hatte übrigens auch die britische Marine, deren Angehörige ab 1655 einen Teil ihres Solds in Form von Rumrationen erhielten. Anders als Bier, Wein und Wasser waren diese auch in der karibischen Hitze deutlich länger haltbar. Allerdings sorgte der bei vielen Matrosen recht exzessive Gebrauch häufig für deren starke Alkoholisierung, was die Arbeitsleistung schmälerte und zu zahlreichen Unfällen führte. Deshalb gab es ab 1740 offizielle Order der „Royal Navy“, die von den Mannschaften „Tot“ genannte tägliche Rumration nur noch mit Wasser vermischt als „Grog“ zu trinken.
Die wärmende Wirkung des Destillats wurde auch im kalten Europa bald geschätzt
Derart abgeschwächt und gewissermaßen „verkleidet“ sowie mit ausreichend Zucker und Limetten- oder Zitronensaft versetzt, gewann Karibikrum gegen Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts auch an der deutschen Nord- und Ostseeküste, im Alpenraum und in vielen europäischen Staaten immer mehr begeisterte Anhänger und Freunde.
Während in Ost- und Nordfriesland damals regionale Spezialitäten wie „Eiergrog“ mit frischem Eigelb kreiert wurden, erfand man in Österreich-Ungarn den „Jagertee“ aus Schwarztee, Zucker und dem seit 1832 vom Klagenfurter Spirituosenhersteller Stroh produzierten, bis zu 80 Prozent starken und seit 2008 kraft EU-Verordnung als genuin österreichische Spezialität geschützten Inländerrum. Ein weiteres hierzulande bekanntes und beliebtes Produkt aus der Fabrikation der heutigen Sebastian Stroh Austria GmbH auf Rumbasis ist der fertig in Flaschen abgefüllte „Punsch“.
Ebenfalls an der allmählichen Verbreitung von Rumsorten in Europa beteiligt war und ist die inzwischen traditionsreiche Konditoreispezialität Punsch- oder Rumkugel aus Fett, Kakao, Schokolade, Mandeln oder Nüssen und Zucker, für die jedoch meist nur Rumaroma zum Einsatz kommt. Der Rumtopf aus zumeist roten Beeren wie Erdbeeren, Kirschen und Zwetschgen wird gerne zu Pudding, Speiseeis und anderen Süßspeisen gegessen.
Das karibische Erbe wird heutzutage facettenreich, kreativ und vielseitig variiert
Spätestens seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird Rum in fast allen Ländern der Erde im großen Stil produziert und auch pur oder als Cocktail bzw. Mischgetränk konsumiert. Im Laufe der Zeit haben sich dabei viele unterschiedliche nationale und regionale Sorten und Spezialitäten entwickelt, welche die jeweilige Produktion vor Ort nachhaltig bestimmen.
So sind beispielsweise die englischsprachigen Karibikstaaten Antigua, Bahamas, Barbados, Belize, Bermuda, Grenada sowie Trinidad und Tobago eher für dunkle Marken bekannt.
Auf den französischen Antillen Guadeloupe und Martinique spielt hingegen landwirtschaftlich aus frischem Zuckerrohrsaft hergestellter „Rhum agricole“ eine große Rolle.
In ehemaligen spanischen Kolonien wie etwa Kolumbien, Kuba, Guatemala, Nicaragua, Panama und Venezuela schätzen die Genießer den meist länger gereiften und milden „Añejo“.
Brasilien schwört auf seinen „Cachaça“, Mexiko auf „Charanda“, in Tschechien und der Slowakei ist der „Tuzemák“ aus Zuckerrüben statt Zuckerrohr das Maß aller Dinge. In Deutschland wird Tee im Winter oftmals mit dem von Kennern eher belächelten „Rum-Verschnitt“ genossen.
Die Karibik ist von Kärnten nur nach Kilometern weit entfernt
Authentisches Karibikfeeling samt umfangreicher Verkostung verschiedener Rummarken können Liebhaber übrigens unter der fachmännischen Leitung des Barmeisters, Diplom-Sommeliers und Serviermeisters Gerald Glinik beim Workshop „Rum – Vom Geist in der Flasche“ kennenlernen.
Titelbild: mikumistock/stock.adobe.com